Richter-Lovisa, Alice

1911 - 1999

Diese unkonventionelle Frau geht auch im Bereich der Kunst eigene Wege: Ihre witzig-ironischen Siebdrucke entstehen in den frühen 1960er Jahren, mit Assemblagen aus elektronischen Bauteilen karikiert sie pointiert gesellschaftlich-politische Themen. Sie entwirft und fertigt Schmuck und beteiligt sich an zahlreichen Kunst-am-Bau-Projekten in Mannheim und der Region.

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Biografisches

Alice Richter-Lovisa, mit Mädchennamen Alice Ernestine Tegtmeyer, wird am 19.12.1911 geboren. Sie hat noch bei Albert E. Henselmann in der Freien Akademie Mannheim studiert, bevor dieser 1938 mit seiner Frau in die Schweiz emigriert.

Schon früh erkennt der Klassenlehrer ihr Talent und fördert sie. 1928 verlässt sie die Liselotteschule in Mannheim mit mittlerer Reife und beginnt am Fröbelseminar in Mannheim eine Ausbildung als Kindergärtnerin. Nach mehreren Praktika schließt sie noch eine Ausbildung als Jugendleiterin an. Danach arbeitet sie in diesen Berufen.


Alice Richter-Lovisa (2. v. l.) mit Kindern auf einem Spielplatz arbeitend, ca. 1960. Foto: MARCHIVUM


1939 heiratet sie den Landgerichtsrat Dr. Walter Lovisa. Die Ehe wird 1957 geschieden. Nach den Kriegsjahren, die sie zum Teil in der Evakuierung in Böblingen verbringt, arbeitet sie in unterschiedlichen Berufen: als Bibliothekarin und „Arts and Craft Teacher“ an der American Elementary School und ab den 50er Jahren wieder als Jugendleiterin oder in der Abendakademie.

Alice Richter-Lovisa ist eine sehr selbstständige Frau, auch schon als junges Mädchen und für die Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg sehr eigenständig. Als Künstlerin ist sie Autodidaktin. Viele Jahre laufen Broterwerb und Kunst nebeneinander.


Selbstinszenierung als freie Künstlerin, 1967. Foto: privat


1952 lernt sie bei einem Zeichenkurs in der Alten Sternwarte bei dem Bildhauer Carl Trummer den Architekten Hans Richter kennen, den sie 1967 heiratet. Aus dieser Partnerschaft entsteht ein Team, das in vielen Bau-Projekten zusammenarbeitet und in dem Alice Richter-Lovisa ihre ungeheure Vielfalt von Einfällen zu Formlösungen und Materialwirkungen realisieren kann. Sie stirbt am 25.01.1999.


Alice Richter Lovisa und Hans Richter, 1978. Foto: privat


Künstlerische Arbeiten

Grafische Arbeiten

In den 1960er Jahren entwirft Alice Richter-Lovisa viele Illustrationen für Prospekte und Plakate: für das Veranstaltungsprogramm der Stadt Mannheim oder das Fremdenverkehrsamt Heidelberg. In diesen Arbeiten mischt sie häufig verschiedene einfache Motive und schiebt diese in- und übereinander. Mit wenigen Formen und Figuren gelingt es ihr, zentrale Anziehungspunkte der beiden Städte abzubilden.



Kunst am Bau

Die Brunnenfiguren auf dem Kinderspielplatz in H 6 sind von ihr – und auch heute noch vorhanden. Beim Neubau der damaligen Fachhochschule in der Windeckstraße baut sie aus Leiterplatten ungewöhnliche Wandstelen. Es gibt viele bemalte Resopal-Türen in Schulen und Kindergärten von ihr.

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Aus der Ateliergemeinschaft mit Walter Koch entstehen Kirchenfenster, Fensterverglasungen und ein wunderschönes Altarkreuz in der evangelischen Kirche Neckarhausen.

Assemblage

Auslöser für das Interesse von Alice Richter-Lovisa an der Assemblage-Technik ist ein Projekt für die Fachhochschule für Technik in Mannheim. Sie erhält den Auftrag, eine Säule zu gestalten, und findet eine „Grabbelkiste ausgemusterter Teile“. Darin entdeckt sie elektronische Leiterplatten, die sie in das Projekt integriert. Fasziniert von den Platten beginnt sie Assemblagen zu kreieren. In den 1990er-Jahren fügt sie gefundene Objekte und Materialien zu neuen, komplexen Kompositionen zusammen und versieht diese mit humorvollen, teilweise ironischen Titeln wie Powerfrau mit Handy, Kernloses Kraftwerk oder I like Manhattan.


I like Manhattan, Metall (Leiterplatten, Glaskugeln, Türgriffe, Plastik auf Metalllochplatte), Objektkunst (Mit Lampe), 54 x 98 cm


Sie kombiniert in ihren Arbeiten vor allem elektronische Bauteile, kleinere Haushaltsgegenstände, Ringe und Ösen. Dabei dienen ihr diese Materialien nicht als Ausdrucksmittel für Kritik an der zunehmenden Technologisierung und Entfremdung der modernen Gesellschaft. Die Kunst von Alice Richter-Lovisa ist demnach nicht als tiefgründig zu verstehen. Stattdessen möchte sie amüsieren und Hintergründiges thematisieren.



Ausstellungen

Seit den 1960er Jahren stellt sie regelmäßig aus, aber meist in Gruppenausstellungen, z. B. mit dem Berufsverband Bildender Künstler (BBK), dem Künstlerbund Rhein-Neckar oder zusammen mit anderen Mannheimer Künstlern, wie Paul Löffler und Bruno Kröll.

Einzelausstellungen hat sie 1967 in der damals „berühmten“ Tangente in P 7, 1 und dann erst wieder im Kulturtreff Mannheim-Feudenheim 1988.

[Text: Silvia Köhler, Fotos: KNMA/ Schwab]

  • 2010 Kulturtreff Feudenheim, Mannheim
  • 1968 Galerie Europa, im Europa Center Berlin (zusammen mit Ludwig Feil)
  • 1967 Tangente Mannheim
  • Fachhochschule Mannheim, Fachbereich Nachrichtentechnik
  • Glasfenster im Kindergarten Arche Noah, T 3, 6, Mannheim
  • Glasfenster Rathaus Hirschberg, Leutershausen
  • Lutherkirche Neckarhausen, Hängekreuz über dem Altar, Glasfenster (zusammen mit Walter Koch)
  • Brunnenfiguren Swansea-Platz, Mannheim, H 5, 4
  • Kurklinik Reichenbach, Bleiglasfenster
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